Montag, 5. Januar 2009

Mitbringen

Das Telefon klingelte. Ein Bekannter war dran. Er war ziemlich krank, seine Freundin auf Arbeit, und er brauchte ein paar Sachen aus der Apotheke. Da ich gerade Urlaub hatte, und ein netter Mensch bin, willigte ich ein, und fuhr bei ihm vorbei.
Neben der fetten Magen-Darm-Erkrakung hatte er sich wohl im Urlaub ne Warze am Fuß eingefangen. Seine Freundin brauchte ausserdem noch die Pille. Ein Rezept lag bei. 
Ich fuhr also zur Apotheke. Es handelt sich dabei um eine recht große, gut besuchte. Ich ging also herein, und wunderte mch über den Ansturm. Als ich an einer der vier Kassen dran kam, erwischte ich SIE.
SIE ist eine Apothekerin, geschätzt 90, stocktaub, stinkt nach Knoblauch und rotzt mehrere Stunden lang in ein und dasselbe Taschentuch. Desweitern hat sie eine richtig üble, kratzige Stimme und spricht im gräßlichsten Dialekt.

Naja. Jedenfalls begrüße ich sie recht freundlich, und beginne mit meiner Einkausliste. Zuerst nenne ich die Pille und drücke ihr das Rezept in die Hand. Sie sieht sich das ganze an, und stellt fest "SIE SIND EIN MANN". Das ist grundsätzlich mal richtig. Etwas auf dem Schlauch stehend antworte ich "Ja". Dieses Betitelt sie mit einem freundlichen "HÄ?". Etwas lauter, versuche ich es mit einem "Ja, das ist richtig". Nun kräht sie mir entgegen "WOZU BRAUCHEN SIE DANN DIE PILLE!?" Hinter mir fangen die Menschen an zu grinsen, ein paar Mädels lachen. 
Vorausdenkend antworte ich etwas lauter "Die ist für meine Freundin". Stimmt zwar nicht ganz, aber wenn ich der jetzt was von Freundin eines Freundes erzähle, wirds mir zu stressig. "AHJA". Sie mustert mich eingehend und setzt dann nach "HÄTT ICH MIR DENKEN KÖNNEN". Sie dreht sich um und verschwindet hinter den Gängen. Eine blonde Apothekerin grinst mich mitleidig an, und wendet sich dem nächsten Kunden zu. Ich warte. Und warte. Da taucht sie wieder auf. Langsam kommt sie näher. In ihrem Gesicht erkenne ich ein Milchbärtchen. Ahhh, erwischt. Kurz mal nen Schluck Milch gesoffen anstatt mich zu bedinen. Phh.
Zufrieden schmeisst sie mir die Pillenschachtel auf den Tresen. "NOCH WAS?". Ich antworte mit einem "Ja, ich bräuchte noch..." und werde zäh unterbrochen "JUNGER MANN! WENN SIE SO LEISE SPRECHEN VERSTEHT SIE DOCH KEIN MENSCH!".
Ok. Aufs Neue. Diesmal lauter. "Ja, ich bräuchte noch...". Wieder Unterbrechung. "JA, SEHEN SIE GUTER MANN. JETZT VERSTEHE ICH SIE". Also gut. Nochmal. "Ja, ich bräuchte noch was gegen Warzen". Kommentarlos schlurft sie los und öffnet den nahe ligenden Apothekerschrank. Schwerfällig bückt sie sich, entnimmt eine Packung und hält inne. Langsam dreht sich den Kopf zu mir. Das Milchbärtchen beginnt zu trocknen. Sie öffnet den Mund. Innerhalb Skunden bereite ich mich auf eine weitere Blamage vor. "WO HAM SIE DENN DIE WARZE JUNGER MANN? HAB HIER EINE TINKTUR, EIN PFLASTER UND EINEN VEREISUNGSSTIFT. WENN DIE WARZE IN DEN ACHSELHÖHLEN ODER IM GENITALBEREICH SITZT EMPFEHLE ICH DAS PFLASTER". Nun, der war hart. Hinter mir fangen ein paar an zu lachen. Ich würde mich am liebsten umbringen. Möglichst laut antworte ich "Er hat sie am Fuß". Sie sieht mir verwirrt an. "WER HAT WAS AM FUß!?" Ich gebe auf "Ich nehme die Tinktur!". Zufrieden nickt sie, nimmt eine andere Packung und kehrt zu mir zurück. 
"BRAUCHEN SIE NUN NOCH WAS!?". Ich frage mich, ob ich nun nicht einfach bezahle und verschwinde. Nachdem ich aber sowieso bereits meine Selbstachtung, meinen Stolz, und mein Selbstbewusstsein verloren habe, und kurz vorm Weinen bin, beschließe ich, den Einkauf durchzustehen, um mich schnellstmöglich ins Bett zu kuscheln und nie wieder das Haus zu verlassen. 
Ich nehme all meinen Mut zusammen, blicke sie an, und sage laut und deutlich "Ich bräuchte noch etwas für eine Magen-Darm-Erkrakung. Am Besten etwas gegen die Übelkeit und die Krankheit an sich". Nickend entfernt sie sich. Kurz bevor sie sich zwischen den Reihen entfernt dreht sie sich nochmal um. Alles erwartend spitze ich die Ohren. "HAM SIE AUCH DÜNNSCHISS JUNGER MANN!?". Ok, das habe ich nicht erwartet. Die junge Apothekerin erbleicht und sieht mich entschuldigend an. Hinter mich prustet endgültig jeder los. Ein Herr mittleren Alters erstickt fast am Lachen.
Der Einfachheit halber antworte ich mit einem lauten "JA". Die Kundschaft hinter mir kriegt sich nicht mehr ein. Die Alte sieht mich glücklich an und verschwindet. Ich stehe da, frage mich was effektiver ist: Von der Brücke springen, oder vor den Zug legen. Während sie wieder auf mich zuschlurft entscheide ich, dass eine Kombination wahrscheinlich den Besten Erfolg bringt.
Sie kommt wieder und bringt mir mehrere Packungen mit. Die Menge hinter mir beruhigt sich wieder. Während Sie langsam abkassiert, packt die junge Apothekerin meine Sachen in eine Tüte, sieht mich entschuldigend an, und packt noch ein paar Sachen zusätzlich hinein. So z.B. ein paar Taschentücher, Probiertee und ganz viele Packungen Gummibärchen. 
Innerlich entscheide ich mich, dass diese Dame ein freundlichen Mensch ist, und sehe sie dankend an. Als die Alte sieht, dass ich ein paar Gummibärchen mitkriege fängt sie an zu krähen "DAS KANNST DU DOCH NICHT MACHEN, DER MANN HAT DÜNNSCHISS, DA KANNST DU DEM DOCH KEINE GUMMIBÄRLE EINPACKEN!". Die Menge hinter mir, gibt sich endgültig dem Lachen hin. Die junge Apothekerin wird rot, und sieht mich entschuldigend an. 
Kurz darauf verlasse ich die Apotheke und fahre schnell weg. Bei meinem Kumpel angekommen fresse ich mich erstmal durch den Kühlschrank und beschließe nie wieder ein Apotheke zu besuchen.

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